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Aufnerden goes Crossing Europe

Crossing Europe 2016

Von Max Werschitz

Heute geht in Linz das 13. Crossing Europe zu Ende, das die oberösterreichische Landeshauptstadt mit 162 Filmen aus 35 Ländern 6 Tage lang zum Mekka für internationale Kinonerds machte. Wir vom steirischen Aufnerden begeben uns ja normalerweise in fremde Galaxien, aber warum in die Ferne schweifen wenn das Gute so nah liegt? Crossing Bundesländergrenzen for Crossing Europe! Und so wagte ich mich auf eine anderthalbtägige Aussenmission – beam me down, SCOTTY (Achtung Wortwitz, so heißt die App der ÖBB, die wie immer bei der Reiseplanung gute Dienste leistete. Hm, vielleicht spendieren uns die Österreichischen Bundesbahnen anläßlich dieser schamlosen Werbung das Bier für die nächste Aufnahme… Thomas? OK, ich schweife ab).

Anderthalb Tage sind natürlich nicht viel Zeit angesichts der gebotenen Programmfülle, und bei dem glücklicherweise sagenhaft schönen Wetter letzte Woche wollte ich mir natürlich auch ein paar Stadterkundungsspaziergänge nicht entgehen lassen, aber drei hervorragende Filme aus drei Ländern sind sich ausgegangen, einer sogar mit ein so etwas wie Sci Fi-Touch (huzzah!).

Krigen (A War)

Aus Dänemark, und vermutlich der bekannteste Beitrag im Festivalprogramm, immerhin wurde er für den diesjährigen Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert. Bekannt auch der Hauptdarsteller, Pilou Asbæk, der in der Serie ‘Borgen’ den Spin Doctor der Premierministerin verkörperte. Hier schlüpft er in die Rolle des dänischen Offiziers Claus Pederson, mit seiner Einheit auf mehrmonatigem Afghanistan-Einsatz, zuhause warten die Ehefrau und drei Kinder. Bereits psychisch angeschlagen fällt er unter schwerem Beschuß und mit einem verletzten Kameraden an seiner Seite eine verhängnisvolle Entscheidung, aufgrund der er abberufen und in Kopenhagen vor Gericht gestellt wird. Drehbuchautor und Regisseur Tobias Lindholm gelingt damit ein hochaktuelles und realistisches Drama rund um Krieg, Familie, Schuld und Verantwortung.

Krigen hatte beim Crossing Europe in der OmU-Fassung Österreichpremiere und ist jetzt auch im regulären Kinobetrieb und synchronisiert zu sehen – sollte man sich nicht entgehen lassen!

Heimatland

Aus der Schweiz, und gleich in mehrfacher Weise höchst ungewöhnlich: Gleich zehn junge AutorenfilmerInnen stellen sich hier die Frage wie ihre Heimat reagiert wenn plötzlich eine unerklärbare, bedrohliche Sturmwolke auftaucht und nach und nach das ganze Land bedeckt. Der Film folgt unterschiedlichsten Charakteren auf ihrer ebenso physischen wie psychischen Reise durch den nationalen und ganz persönlichen Ausnahmezustand, und fügt sich zu einem hochprofessionellen ästhetisch-dramaturgischen Gesamtwerk zusammen. Besonders pikant: am Ende schließt die Europäische Union vor den empörten eidgenössischen Flüchtlingen die Grenze, da helfen dann auch die mitgebrachten Geldscheinbündel nix mehr.

Heimatland hatte ebenfalls beim Crossing Europe Österreichpremiere und ist bis mindestens August 2016 bei diversen Filmfestivals zu sehen – ob er hierzulande ins reguläre Programm kommt ist ungewiss, ich fand ihn jedenfalls großartig und ein größeres Publikum hätte er sich zweifelsfrei verdient.

Unten

Aus Österreich, und mein persönlicher Liebling unter den drei Filmen. Djordje Čenić, 1975 in Linz als “Gastarbajterkind” geboren, begibt sich auf eine sympathisch authentische autobiografische Zeitreise zwischen Kroatien und Österreich, Persönlichem und Politik, zwischen Heimaten, Identitäten, Nostalgie und Zukunft. Home videos aus den 90ern mischen sich mit Nachrichtenclips und professionell gefilmten aktuellen Aufnahmen, unter ihnen viele spannende Gespräche mit Verwandten und Freunden. ‘Unten’ ist manchmal tragisch, oft komisch, aber immer mit einer großen Portion Herz, und nimmt die Zuseher/innen wie eine erweiterte Familie mit in Čenićs Welten in denen er stellvertretend eine ganze Generation portraitiert.

‘Unten’ feierte beim Crossing Europe Weltpremiere, ähnlich wie bei ‘Heimatland’ ist unklar ob er regulär ins Kino kommt, ich würde es ihm sehr wünschen. Für alle jetzt ganz Neugierigen gibt es inzwischen immerhin eine Episode des Podcasts TermiTinitus bei der Djordje Čenić zu Gast ist.